Japanisches Foltergerät. |
Infor hat den Prototyp einer neuen Benutzerschnittstelle für sein Produktportfolio vorgestellt. Und dafür eine Pressemitteilung herausgegeben.
Liebe Infor Deutschland. Warum? Was ihr mit der Sprache anstellt, ist Waterboarding für Sprachliebhaber! Keine bleibenden Schäden, aber grausam ist's trotzdem. Es ist ja ok, dass Ihr Pressemitteilungen von der Mutter aus den USA bekommt. Aber die müsst Ihr doch nicht vom Marketingpraktikanten übersetzen lassen. Oder von einem Übersetzungsbüro, dessen Kernkompetenz eigentlich auf dem Milchtütentextsektor liegt.
Was um Himmels Willen sollen "kontext-kritische Echtzeit-Tools" denn sein bitte? Ihr habt doch nicht etwa Karlchen Klammer reanimiert, der sich auf den Bildschirm quengelt, wenn der Benutzer die Verkaufs-Auftragsmaske öffnet und auf "neu" drückt: "Sie möchten offenbar einen Auftrag eingeben! Wollen Sie den nicht lieber aus dem Angebot überführen? Und wussten Sie, dass Sie auf der Karte nachsehen können, wo Sie wohnen?" Was sind "dynamische Benachrichtigungen"? Welche, die nicht jeden Samstag auf der Couch hocken und Fußball kucken sondern lieber mit dem Surfbrett unterm Arm zum Wasser sprinten?
Dann: "Kollaboration" bezeichnet, bitteschön, im Deutschen primär geschichtliche Ereignisse, bei denen in besetzten Ländern den Nazis der rote Teppich ausgerollt, die Pläne von Widerstandskämpfern gesteckt und fleißig der SS beigetreten wurde. Für das englische "Collaboration" gibt es das schöne Wort "Zusammenarbeit", die alten Lateiner unter uns kennen vielleicht auch das Wörtchen "Kooperation". Im Marketingsprech - wenns den unbedingt sein muss - kann man auch "Teamwork" sagen. Aber was ist falsch dran, zu schreiben: "Einbindung von Kommunikationssoftware in die Arbeitsoberfläche, um das innerbetriebliche Netzwerken zu unterstützen"? Denn um nichts anderes geht's hier. Bietet eine Software "Kollaborationsmöglichkeiten", krieg ich's ein bisschen mit der Angst.
Gabs mal auf ner Messe. Aufgeblasen, sinnfrei und sperrig. (Foto: Henrik Becker, Lizenz CC-BY-SA) |
Dann: Die Anwender haben die Möglichkeit "zu autodidaktisch lernen"? Grammatik bei Yoda gelernt Ihr habt vielleicht, aber ehrlich: Wenn Eure Muttermarketingmenschen das hohe Lied anstimmen, dass die Mitarbeiter beim Anwender nun in Zukunft statt auf Arbeit fröhlich auf dem Selbstfindungstrip sind und dank Infor-Software nun "Lernen, Fragen, Vorschläge machen, sich Mitteilen und Erleben" statt Kundenaufträge einzuhacken, dann ist das als "autodidaktisch lernen" zu übersetzen schon ziemlich daneben. Obwohl ich verstehe, dass man deutschen Geschäftsführern nicht unbedingt erklären will, warum die neue Leitlinie der Software nun das ist, was sie neulich auch im Jahresbericht des Kindergartens ihres Dreijährigen gelesen haben.
The Blah blah man. (Grafik: Adam Freeman, CC-BY-SA) |
Und so geht das endlos weiter. Bla über Blupp. Aufgeblasenes Marketing-Sprech aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt, mal mehr, mal weniger gelungen, aber immer blutleer und inhaltsarm. Himmel noch eins! Kennt in Hannover oder Erkrath oder wo auch immer keiner der Marketingmenschen eine prekariatsgefährdete Germanistin, der man sowas mal für nen Hunni zum Gegenlesen geben kann?
Wie wäre es statt diesem sprachvergewaltigenden Gefasel mit einem ehrlichen:
"Infor hat sich von seinem alten, javabasierten Technologiestapel verabschiedet, weil man unter Sharepoint Anwendungen bauen kann, die einfach geiler aussehen, und weil sich die Zusammenarbeit mit Microsoft hoffentlich besser rechnet. Und Infor hat kapiert, dass Anwendungen heute geil aussehen müssen, so geil eben, wie man's von Apples Iphone-Apps gewöhnt ist, auch dann, wenn die Software nur betriebswirtschaftlichem Datenkauen dient.
Weil Menschen, und Manager, denen wir unsere Software verkaufen wollen ganz zuvorderst, halt erstens Spielkinder sind und zweitens von den Daten, die gekaut werden, eh nicht mehr allzuviel verstehen. Und weil sie deshalb vor allem nach dem Sexy-Faktor in der Software suchen, der verspricht, dass ihre ganze komplexe Welt in Wirklichkeit ganz einfach ist. Und das verkaufen wir ab jetzt. Die Software gibt's als Bonus dazu.
Wir als Infor haben lange geschlafen und gedacht, wenn unsere Programmierer mit einer hässlichen grauen und kompliziert aussehenden Software zufrieden sind, sind's unsere Kunden auch. Wir haben jetzt aber verstanden. Und alles wird sich ändern."
Und dann könnte man vielleicht noch ergänzen:
"Im Zuge dieser gereiften Erkenntnis werden wir uns bemühen, dass unsere Kernsoftware ERP LN demnächst auch Fett und Kursiv im Texteditor beherrscht und so erstellte Texte innerhalb einer Rechnung auch ohne mühsames Gefrickel und ohne Zusatzsoftware samt Firmenlogo in einer Form aufs Papier bekommt, die so geil aussieht, als hätte Donald Knuth persönlich den Layoutalgorithmus entworfen."
Dann auch wieder den 1. April als Datum drauf, und alles ist gut.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen