Mein Name ist Ulrich Fuchs, ich unterstütze als freier Berater Anwenderunternehmen und Beratungshäuser in allem, was im Umgang mit dem ERP-System "Infor LN" und seinen Vorgängerversionen (Baan IV, Baan V) so an Aufgaben anfällt. Ich bin Projektleiter, Berater und Softwareentwickler, und weil ich alle drei Rollen tatsächlich beherrsche, bin ich der Joker immer dann, wenn's anspruchsvoll wird.

Weil Neuigkeiten, über die ich so stolpere, vielleicht auch für andere interessant sind, gibt's dieses Blog. Meine Kontaktdaten finden Sie unter
www.ulrich-fuchs.de.



Donnerstag, 25. Oktober 2012

Angetreten zum Appel






Etwa ein Jahr nach der Ankündigung, nach New York umzuzuiehen, hat Infor das nun auch getan. Und sich dabei ein neues Corporate Design verpasst. Schon wieder.

Dabei hatte sich das letzte, weiße Schrift auf schwarzem Hintergrund mit roten Betonungen, doch grade so schön fleckendendeckend etabliert. Von der Webseite, über die Präsentationsvorlagen und Bildschirmschoner der Berater, bis hinein in die Workspace-Oberfläche der Anwendung. Eigentlich wollte ich das hier immer mal loben. Endlich hatte man erkannt, dass sich Software im 21. Jahrhundert nicht mehr mit grauen-Maus-Masken verkaufen lässt. Zusammen mit dem "nennen-wir- einfach-mal-alle-Produkte-im-Bauchladen-EPR10"-Trick war es auch diesem Design zu verdanken, dass die Marke "Infor" heute wieder sichtbar und als solche erkennbar ist.

Nun ja, wer weiß. Vielleicht war dieses alte Design dem von Oracle ja doch zu ähnlich, und der Larry hat den Charlie mal freundlich drauf hingewiesen, dass er das doch mal zügig ändern lässt. Wenn man die Webseiten mal so gegeneinander hielt, war der Gedanke nicht so abwegig. Und dann auch noch dieses "O" vom alten Infor. Ein Rechteck mit abgerundeten Ecken. Auf abgerundete Rechtecke hat bekanntermaßen die Firma mit dem angenagten Apfel einen weltweiten Alleinanspruch.


Um so erstaunlicher ist es, dass das neue Design, mit dem Infor "beauty a competence", also die Schönheit zur Kernkompetenz machen will, sich massiv an eben jenen technologischen Sektenführer aus Cupertino anlehnt. Weißer Hintergrund, knuffige runde Schriften, viel freie Fläche und: Viele Bildschirme mit runden Ecken. Ich geb zu, ich mag's. Nur dieses komische Dach auf dem i vom neuen Infor-Logo finde ich, naja, komisch. Was soll das sein? Eine stilisierte Fabrik? Eine siebziger-Jahre-Tastatur im Querschnitt? Saß der Designer bei diesem Einfall vor einer Miele-Waschmaschine? Ist's gar eine Referenz ans Türkísche?

Aber ich will eigentlich gar nicht mäkeln. Ich finde den Ansatz höchst lobenswert, die Arbeitsoberfläche von ERP-Systemen auch für die eigentlichen Anwender (und nicht nur für die Manager, die mit Daten eh nichts anfangen können und deswegen bunte Bildchen brauchen) nicht nur praktisch, sondern elegant, ja vielleicht sogar schön zu machen. Erstens verkauft sich die Software dann besser, und Infor kann gar nicht genug Software verkaufen, wenn es nach mir geht. Und zweitens sollte es das Selbstverständnis von ITlern sein, Arbeitswelten zu gestalten. Mit unseren Systemen müssen tausende Menschen umgehen. Die müssen die Dinger täglich stundenlang ansehen. Man sollte ihnen da durchaus etwas schönes auf den Bildschirm geben. Darum funktioniert Apple, wie Apple funktioniert. Ich weiß nicht, ob das auch für ERP-Systeme gelingen kann: Daten bleiben Daten, die jemand irgendwann eingeben muss, man kann sie nicht ins System reinmalen. Dazu braucht man vor allem eines: Viele langweilige Textfelder. Und aus ist's mit dem stylischen Design.

Aber man kann es versuchen. Der nachrichtenbasierte Ansatz, der sich jetzt im Workspace findet, geht in die richtige Richtung: Eine Leiste mit Kurznachrichten, die teils von Personen, teils vom System generiert werden, die man sich als Aufgabe anziehen und fertigmelden kann, und die einen Workflowstatus weiterschalten. Für die wenigen echten Workflows, die ein Unternehmen hat, sicher eine schöne Lösung. Allerdings wird man immer bei der täglichen Arbeit mit dem System in der Mehrzahl andere Trigger haben, die nicht aus dem System kommen: Leute rufen einen an und fragen nach einem Auftrag. Da gibt's keinen Link, auf den man klicken kann, da muss man ein Einstiegsprogramm und eine Suchmaske haben. Aber vielleicht bekommt man in der Skype- und Twitterwelt die Leute ja auch dazu, statt anzurufen den Link auf den Auftrag mit einer kurzen Nachricht weiterzuleiten. Ich finde diese Entwicklung jedenfalls spannend. Nichts, was uns in den nächsten drei Jahren wirklich weiterhelfen wird. Aber etwas, was man im Auge behalten und weiterentwickeln sollte.

Apropos weiterentwickeln: Für die Durchgängigkeit des schönen Designs in die Applikationen hinein, für "making beauty a competence": Können wir bitte einen Texteditor in ERP LN kriegen, der Fett und Kursiv kann und einen integrierten grafischen Reportgenerator, statt diesem mühsam angeflanschen Microsoft-Dings? Sorry, bei aller Freude über die guten Entwicklungen bei Infor: Bitte die angestauten Technical Debts auch mal abtragen. Sonst kriegt man ein außen-hui-innen-pfui-Image, und das hat eigentlich weder die Software noch die Marke noch die Firma Infor verdient.